Bericht zum Thema Dominanz

von Jessica Hoppe

„Werte kann man nicht lehren, sondern nur vorleben.“ Viktor Franken

Warum wir das Wort „Dominanz“ in der Mensch-Hund Beziehung nicht nutzen

Im Duden wird Dominanz durch „Vorherrschaft“ definiert.

Bei Hunden wird der Begriff allerdings oft missverständlich verwendet. Die „Dominanz“ wird Verhaltensbiologisch anders definiert. Dort versteht man die Dominanz als eine Beziehung. Eine Beziehung zwischen Hund und Hund. Viele verwenden die Dominanz aber als eine Beziehung zwischen Mensch und Hund, vielmehr noch als das Recht dem Hund deutlichst zu zeigen wer der Chef ist.

Zwischen Hunden regelt die Dominanzbeziehung, wer welche Privilegien in Anspruch nehmen darf und welche nicht. Zum Beispiel unterwirft sich der Rangniedrigere Hund dem ranghöheren mit einem Gruß-Ritual und der Ranghohe bestimmt den Alltag (Zeitpunkt des Jagens, Fressens).

Diese Dominanzbeziehung ist aus Hundesicht zwischen Mensch und Hund nicht dieselbe. Vielmehr missbraucht der Mensch diesen Begriff, um „über“ seinem Hund zu stehen. Eigentlich sollte uns die Verhaltensbiologische Betrachtung  der Dominanz zeigen, dass Dominanz ein Zusammenleben darstellt. Natürlich übernimmt einer, in diesem Fall der Mensch die „Führung“, er bestimmt den Alltag (Gemeinsames Jagen gehen, Zeitpunkt des Fressens). Somit müsste der Hund uns als Ranghöheren sehen, was dem Menschen jedoch nicht das Recht gibt, die Dominanz mit körperlicher oder psychischer Gewalt und Kraft gleich zu setzten.

 

„Die Kunst mit einem Hund locker an der Leine zu gehen, ist mehr als nur seinen Hund an zu leinen. Es sind Führungsqualitäten!“ D. Frank

Formale und Situative Dominanz

Ein Ausdrücken von stärkerer Dominanz wie zum Beispiel auf den Rücken legen oder der Freiraumbegrenzung kommt unter Hunden seltenst vor! Sie pflegen vielmehr eine formale* Dominanz. Diese äußert sich durch eine aufgerichtete Körperposition und Kopfposition, den hohen, leicht bewegten Schwanz (Langzeitdominanz) oder ein angedeutetes Klein-Machen, evtl. ein Mundwinkelstupsen (formal unterwürfig). Die Hauptaufgabe der „formal dominanten“ Leittiere ist aber keineswegs die Privilegien einzufordern, sondern Gefahren erkennen und abzuwehren. Übertragen wir diese Erkenntnis also wieder auf die Mensch-Hund-Beziehung, wird es uns kaum etwas nutzen den Hund mit mehr als formalen Begebenheiten zu dominieren, vielmehr sollten wir unserem Hund zu erkennen geben, dass er uns Vertrauen kann und zwar mit Gefahrenerkennung und -abwehr. Das gibt unserem Hund Sicherheit.

Das einzige Privileg, dass ein Leittier hat, ist der Zugang zu paarungsbereiten Partnern. Die Natur hat unseren Hunden mitgegeben zu erkennen, dass bestimmte Rassen nicht füreinander geeignet sind. So wird der Hund auch erkennen, dass er sich nicht mit Menschen paaren kann und wird dieses Recht in einer Familie auch nicht einfordern. Dies ist noch ein Hinweis darauf, dass sich unser Hund kaum „formal Dominant“ über dem Menschen fühlt.

Neben der formalen Dominanz gibt es die situative** Dominanz. Sie beschreibt eine kurzzeitige Problemlösung: Der eine Hund sagt dem anderen „Hey es reicht!“, zum Beispiel durch Knurren, Nase rümpfen, fixieren, Kopf verstoßen, Drohbellen oder auch mal eine Scheinattacke. Achtung: Auch ein Rangniedriger kann zu seinem Leittier mal sagen „du nervst!“. In der Mensch-Hund-Beziehung kommt dieses Verhalten auch vor: Ihr Hund hat gerade ein Spielzeug oder einen Knochen und will diesen nicht hergeben oder der Hund fühlt sich in einer Bedrängnissituation zu sehr genervt. Dieses situative Verhalten nagt, entgegen vieler Meinungen nicht an der Rangordnung des Leittiers / Menschen, sondern zeigt, dass der Hund momentan, in dieser Situation ganz bestimmte Interessen verfolgt und diese gerne verteidigen möchte.

 

„Wenn du lernst deinen Hund zu verstehen, öffnen sich Dir Türen und Fenster, die Dir sonst verschlossen bleiben.“ D. Frank

Fazit

Der Begriff Dominanz hat seine Berechtigung, aber in einem ganz anderen Zusammenhang, wie Ihn die meisten Menschen verwenden.

Unter Hunden ist Dominanz ein wichtiges Beziehungsinstrument um Konflikte zu vermeiden und zu regulieren.

In der Hund-Mensch-Beziehung hat der Mensch unter gesunden Umständen eine natürliche Leittierfunktion, die der Hund auch nicht in Frage stellt. Gewalt und Strenge als Instrumente einer Chefrolle zu sehen ist völlig falsch und wird nicht mit Dominanz definiert!

In den 9 Jahren in denen ich intensiv mit Hunden gearbeitet und gelebt habe, konnte ich feststellen, dass diese Fakten durchaus zu treffen. Wir haben drei Hunde zuhause: Amaroq, 9 Jahre; Searchy, 7 Jahre und Shenan, 3 Jahre. Inzwischen sind ihre „Rollen“ ganz klar definiert. Amaroq ist der souveräne Alpha, Searchy die ranghöhere Hündin und Shenan das Küken bzw. die rangniedrigere Hündin. Als Shenan ins Rudel kam hatte der kleine Welpe das auch zu lernen. Doch inzwischen bekommen wir nur noch formale Dominanzgesten zu sehen. Zum Beispiel Begrüßt Shenan sehr wild Searchy, dann hebt Searchy nur die Lefzen. Hat Amaroq ein Spielzeug und Shenan möchte es ihm aus den Pfoten klauen, dann hört man auch mal ein kurzes Knurren. Es kann auch mal sein dass die Mädels spielen und das ist in Amaroq ‘s Augen zu heftig, sodass er dazwischen geht und sagt „es reicht!“ (situative Dominanz).

Keiner unserer Hunde versucht jedoch uns Menschen unseren „Rang“ ab zu nehmen. Ich bin der Meinung Hunde können ganz genau zwischen Mensch-Hund und Hund-Hund Beziehungen unterscheiden. Den Beweis? Sehe ich tagtäglich bei uns zuhause!

Wenn Sie mehrere Hunde haben oder sehen, beobachten Sie dieses Rudel doch einmal, vielleicht fällt Ihnen das ein oder andere hier erwähnte auf. Anschließend überprüfen Sie sich selbst mit Ihrem Hund.

Bericht: Jessica Hoppe

Quelle: „Das Dominanzverhalten“

von Udo Gansloßer

06.03.2017

*formale Dominanz: kleine Gesten

**situative Dominanz: kurzzeitige Problemlösung

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